OLG Dresden: Unterlassungsanspruch, auch wenn Beleidigung im geschlossenen Internetforum erfolgt / Soziales Netzwerk

veröffentlicht am 10. März 2021

OLG Dresden, Beschluss vom 14.02.2017, Az. 4 U 195/17
§ 890 Abs. 2 ZPO, § 823 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, § 185 StGB

Das OLG Dresden hat entschieden, dass ein Unterlassungsanspruch auch dann besteht, wenn eine Beleidigung im geschlossenen Forum eines sozialen Netzwerkes erfolgt. Für die Wiederholungsgefahr komme es insbesondere nicht darauf an, ob die Publizitätswirkung einer Äußerung auf einem internen Forum eines sozialen Netzwerkes geringer sei als die Veröffentlichung in einer Tageszeitung. Allein maßgeblich sei vielmehr, ob aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles sicher angenommen werden kann, dass es zukünftig nicht mehr zu einer kerngleichen Verletzungshandlung komme. Es sei indes gerichtsbekannt, dass gerade die vom Verfügungsbeklagten herausgestellte Abschottung derartiger Foren nach außen zur verbalen Enthemmung der Teilnehmer und zu strafrechtlichen Beleidigungen Dritter führen könne. Der Umstand, dass sich die Nutzer frei von Beobachtung wähnten, führe schon von daher dazu, dass auch die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung nicht absinke, sondern ansteige.  Zum Volltext der Entscheidung:


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Oberlandesgericht Dresden

Beschluss

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch … ohne mündliche Verhandlung am 14.02.2017 beschlossen:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Verfügungsbeklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Verfügungsbeklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der auf Dienstag, 11.04.2017, 11.00 Uhr, bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.

4. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren soll auf 5.000,00 EUR festgesetzt werden.

Gründe:

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Verfügungsbeklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Das Landgericht hat zu Recht eine Wiederholungsgefahr wegen der beanstandeten Äußerung angenommen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Berufungsvorbringen hinsichtlich der nunmehr abgegebenen Unterlassungserklärung wie geschehen im Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten vom 03.01.2017 (Anlage BB 1).

1.
Von der Berufung unangefochten und damit keiner weiteren Vertiefung bedürfend ist zunächst die Feststellung des Landgerichts, bei der nunmehr noch streitgegenständlichen Äußerung vom 12.10.2016 handele es sich um eine persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerung i.S.d. § 823 BGB. Bei einer solchen Todesdrohung handelt es sich regelmäßig, und so auch hier, wenn sie bei verständiger Würdigung nicht ernst zu nehmen ist und damit keine Bedrohung i.S.v. § 241 StGB darstellt, jedenfalls um eine Beleidigung gemäß § 185 StGB (LG Mosbach, Teilurteil vom 31.01.2014, 2 O 182/13, juris Rz. 28; LG Oldenburg, Beschluss vom 21.8.2012 – 5 T 529/12 – juris); sie begründet als Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung einen Unterlassungsanspruch gemäß § 823 BGB i.V.m. § 1004 BGB.

2.
Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten hat das Landgericht auch zu Recht eine Wiederholungsgefahr bejaht. Zu den auch hierzu vollumfänglich zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen (S. 7 des Urteils) zunächst verwiesen wird, ist ergänzend anzumerken, dass gerade auch das Posting vom 23.10.2016 (Anlage Ast 8) die Gefahr gleichartiger oder ähnlicher Äußerungen belegt. Denn wenn auch behauptetermaßen als „Entschuldigung“ gemeint, so handelt es sich tatsächlich doch um eine wiederholende Erklärung, Erläuterung bzw. Vertiefung der geäußerten Ansicht des Verfügungsbeklagten über den Verfügungskläger. Die Einkleidung der im Grunde wiederholenden Ehrverletzung in eine Erläuterung oder gar Entschuldigung ändert hieran nichts.

Die mit der Berufung vertretene Rechtsansicht, bei Beleidigungen in sozialen Netzwerken sei die Wiederholungsgefahr grundsätzlich zu verneinen, weil es sich hierbei um eine einmalige Sondersituation handele, hält der Senat für fernliegend. Sie findet auch in der vom Verfügungsbeklagten herangezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keinerlei Stütze. Für die Wiederholungsgefahr kommt es insbesondere nicht darauf an, ob die Publizitätswirkung einer Äußerung auf einem internen Forum eines sozialen Netzwerkes geringer ist als die Veröffentlichung in einer Tageszeitung. Allein maßgeblich ist vielmehr, ob aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles sicher angenommen werden kann, dass es zukünftig nicht mehr zu einer kerngleichen Verletzungshandlung kommt. Es ist indes gerichtsbekannt, dass gerade die vom Verfügungsbeklagten herausgestellte Abschottung derartiger Foren nach außen zur verbalen Enthemmung der Teilnehmer und zu strafrechtlichen Beleidigungen Dritter führen kann. Der Umstand, dass sich die Nutzer frei von Beobachtung wähnen, führt schon von daher dazu, dass auch die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung nicht absinkt, sondern ansteigt. Dies räumt auch der Verfügungsbeklagte ein, der es für „nicht unwahrscheinlich“ hält, dass „sich eine Person in einem Streitgespräch, zumal im Internet, kurzfristig vergisst“. Eine solche Enthemmung, die sich – anders als die Berufung meint – auch nicht als „einmaliger Fehlschuss in der Hitze des Gefechts“ bagatellisieren lässt, rechtfertigt es jedoch nicht, die in der analogen Welt bestehenden Persönlichkeitsrechte in sozialen Netzwerken einzuschränken. Vielmehr sind die Nutzer sozialer Netzwerke verpflichtet, ihre Äußerungen an die rechtlichen Vorgaben anzupassen. Ob eine Äußerung als „situationsbedingte, geringfügige Beleidigung“ anzusehen ist, mag bei der Zubilligung einer Geldentschädigung relevant werden, ist jedoch für die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung für einen auf §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. § 185 StGB gestützten Unterlassungsanspruch ohne Belang.

3.
Die Wiederholungsgefahr ist auch nicht durch die zwischenzeitlich abgegebene Unterlassungserklärung entfallen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die aufgrund der begangenen Verletzungshandlung zu vermutende Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur durch Abgabe einer wirksamen strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung beseitigt werden kann (BGH, Urteil vom 08.11.1989, I ZR 102/88, juris Rz. 64; BGH, Urteil vom 30.03.1988, I ZR 209/86, juris Rz. 19; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rz. 810 m.w.N.; Götting/Scherz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 47 Rz. 13 m.w.N.). Der Unterlassungsverpflichtete muss gegenüber dem Gläubiger eine uneingeschränkte, bedingungslose und durch ein Vertragsstrafeversprechen angemessen zu sichernde Unterlassungsverpflichtung eingehen (BGH, I ZR 153/85, aaO.). Vorliegend hat der Verfügungsbeklagte weder ein Vertragsstrafenversprechen abgegeben, noch hat er anerkannt, die Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgrund einer bestehenden Rechtspflicht abgegeben zu haben, sondern diese vielmehr unter dem Vorbehalt „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ erklärt. Hierin liegt keine angemessen gesicherte Unterlassungsverpflichtungserklärung, wie sie die Rechtsprechung im Hinblick auf die Beseitigung der Wiederholungsgefahr fordert.

Die in dem Schreiben vom 3.1.2017 erklärte Bereitschaft, ein vom Landgericht festzusetzendes Ordnungsgeld gegen sich festsetzen zu lassen, steht einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht gleich. Die Ordnungsmittel des § 890 ZPO dürfen nur im Rahmen von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung verhängt werden. Die Zwangsvollstreckung findet nur statt aus gerichtlichen Urteilen, gerichtlichen Beschlüssen oder Titeln, die in §§ 794 ff. ZPO genannt sind. Darunter fallen zwar auch Vergleiche, wenn sie in der dafür vorgesehenen Form vor Gericht abgeschlossen worden sind (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, s. z.B. BGH, Beschl. v. 2. 2. 2012, GRUR 2012, S. 957 ff.), nicht aber einseitige Unterlassungserklärungen. Ein Ordnungsgeld könnte aufgrund der Unterwerfungserklärung aus dem Schreiben vom 3.1.2017 unabhängig hiervon auch deshalb nicht festgesetzt werden, weil es an einer – der Verhängung notwendigerweise vorzuschaltenden – wirksamen Androhung fehlt; denn selbst dann, wenn eine Partei sich in einem gerichtlich protokollierten Vergleich bei Meidung der in § 890 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel zu einem Unterlassen verpflichtet, dürfen die Ordnungsmittel erst dann verhängt werden, wenn sie dem Schuldner zuvor durch gesonderten gerichtlichen Beschluss nach § 890 Abs. 2 ZPO angedroht worden sind. Diese Androhung kann daher auch in einem gerichtlich geschlossenen Vergleich nicht wirksam erfolgen (BGH, Beschl. v. 2. 2. 2012, GRUR 2012, S. 957 ff.). Nichts anderes gilt für eine einseitige Unterlassungsverpflichtungserklärung. Der Wirkung nach handelt es sich hierbei lediglich um eine einfache – nicht strafbewehrte – Unterlassungsverpflichtungserklärung, aus der nicht unmittelbar vollstreckt werden kann und die daher auch die Vermutung für eine Wiederholungsgefahr nicht entfallen lässt.

Der Senat rät auf dieser Grundlage zu einer Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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