OLG Frankfurt a.M.: Zum Streitwert bei Wettbewerbsverstoß gegen Öko-VO

veröffentlicht am 13. Juli 2021

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20.05.2021, Az. 6 W 37/21
§ 3 UWG, § 3a UWG, Art 28 VO (EG) Nr 834/2007

Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass bei Verstößen gegen §§ 3, 3a UWG i.V.m. Art. 28 Abs. 1 S. 1b VO (EG) Nr. 834/2007 (ÖkoVO) sowohl erhebliche Verbraucherinteressen als auch die Interessen der Mitbewerber betroffen sind, die sich rechtstreu verhalten, weshalb regelmäßig nicht von einem unterdurchschnittlichen Angriffsfaktor ausgegangen werden könnte. Zum Volltext der Entscheidung:


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Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

Beschluss

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache nur zum Teil Erfolg.

1.
Nach § 51 Abs. 2 GKG ist der Streitwert entsprechend der sich aus dem Antrag des Klägers bzw. Antragstellers ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen. Entscheidend ist bei Unterlassungsanträgen das Interesse des Klägers bzw. Antragstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße, das maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen, bestimmt wird (BGH, Beschluss vom 15.9.2016 – I ZR 24/16 = GRUR 2017, 212 – Finanzsanierung). Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats kommt der Streitwertangabe des Anspruchsstellers zu Beginn des Verfahrens eine indizielle Bedeutung für das tatsächlich verfolgte Interesse zu (vgl. Beschluss vom 3.11.2011 – 6 W 65/10 = WRP 2017, 719).

2.
Die Antragstellerin hat in der Antragsschrift den Streitwert mit 50.000,- € für die Hauptsache und 33.000,- € für das Eilverfahren angegeben. Auch in der Abmahnung wurde ein Streitwert von 50.000,- € angegeben. Mit vorprozessualem Schreiben vom 11.1.2021 hat sie allerdings dargelegt, dass sie sich als Entgegenkommen für die „schnelle Kooperation“ der Antragsgegnerin vorstellen könne, auch einen Gegenstandswert von 20.000,- € anzusetzen (Bl. 68 d.A.). Das spricht dafür, dass dieser Wert das Interesse der Antragstellerin an der Unterlassung der angegriffenen Handlungen jedenfalls insoweit ausreichend widerspiegelt, als der Eilrechtsschutz in Rede steht.

3.
Eine weitere Herabsetzung des Streitwerts kam nicht in Betracht. Der Vortrag der Antragsgegnerin zur angemessenen Streitwerthöhe ist uneinheitlich. Während sie mit Schriftsatz vom 19.2.2021 noch einen Streitwert von 10.000,- bis 15.000,- € für angemessen erachtete, hat sie mit der Beschwerde eine Herabsetzung auf 5.000,- € beantragt. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände erscheint der von der Antragstellerin vorprozessual angegebene Streitwert von 20.000,- € nicht übersetzt.

a)
Der Antragsgegnerin werden Verstöße gegen §§ 3, 3a UWG i.V.m. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 b) VO (EG) Nr. 834/2007 (ÖkoVO) vorgeworfen, da sie Lebensmittel als biologisch angeboten und verkauft hat, ohne sich einem Kontrollsystem nach Art. 27 ÖkoVO zu unterstellen. Bei Verstößen dieser Art sind sowohl erhebliche Verbraucherinteressen als auch die Interessen der Antragstellerin als Mitbewerberin betroffen, die sich insoweit rechtstreu verhält. Anders als z.B. bei der Verletzung von Impressums- und Kennzeichnungspflichten, die den Mitbewerber nicht unmittelbar betreffen oder benachteiligen, ist hier ein Wettbewerbsnachteil für die Antragstellerin zu erkennen. Sie hat sich der Mühen und Kosten der Akkreditierung gestellt, die die Antragsgegnerin zunächst nicht aufgewendet hat.

b)
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann nicht von einem unterdurchschnittlichen Angriffsfaktor ausgegangen werden. Ausweislich der Anlage Ast 3 hat sie zahlreiche verschiedene Produkte mit der Bezeichnung „Bio“ angeboten. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, bezog sich der Eilantrag nicht allein auf „gelatinefreie BIO-Bärchen“. Da es auch um Verbraucherinteressen geht, sind nicht allein der Umsatz und Gewinn entscheidend, den die Antragsgegnerin durch den Verkauf der betroffenen Produkte erwirtschaftet hat. Es kommt auch nicht maßgeblich auf den Stückpreis der Produkte bei der Antragsgegnerin an. Im Übrigen sind die von der Antragsgegnerin erzielten Umsätze auch keineswegs vernachlässigbar gering. Nach eigenen Angaben erzielte sie allein im Jahr 2020 mit ihren Bio-Produkten einen Umsatz von 25.000,- €.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

5.
Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) ist im Streitwertfestsetzungsverfahren kein Raum (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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