OLG Karlsruhe: Eine Unterlassungserklärung kann nicht ohne Weiteres nur teilweise angenommen werden

veröffentlicht am 5. Januar 2023

OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.04.2009, Az. 14 U 66/08
§ 150 Abs. 2 BGB

Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass die teilweise Annahme einer modifizierten strafbewehrten Unterlassungserklärung mangels ausdrücklicher diesbezüglicher Vereinbarung der Beteiligten nur dann in Betracht kommt, wenn das Angebot dahin ausgelegt werden kann, daß der Antragende entgegen der Regel des § 150 Abs. 2 BGB dem Angebotsempfänger die Möglichkeit einer Teilannahme einräumen wollte, und zwar auch hinsichtlich des vom Verletzer zur Unterwerfung dann ausgewählten Teilausschnitts und des Inhalts. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Karlsruhe

Urteil

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 30.04.2008 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 20.000,00 EUR.

Gründe

I.
Der Kläger verlangt vom Beklagten 1 eine Vertragsstrafe von 20.000,00 EUR , weil der Beklagte 1 gegen eine von ihm abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen habe. Weitergehende Klagen gegen den Beklagten 1 und weitere Beklagte auf Unterlassung und Beseitigung wurden in erster Instanz zurückgenommen.

Der Kläger ist ordentlicher Universitätsprofessor und seit 2005 Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Rechtsphilosophie und Medienrecht der privaten Z.-Universität F. 1999 veröffentlichte der Kläger seine Habilitationsschrift mit dem Titel „Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes“. Im Jahre 2003 gab er den zugehörigen Dokumentenband heraus.

Am 04.11.2003 veröffentlichte der Beklagte 1, bis 1996 Professor für Neuere und Neueste Geschichte, in der … Allgemeinen Zeitung unter der Überschrift „Auf Grund gelaufen – Unzulängliche Dokumentation zum Parlamentarischen Rat“ eine Rezension (Anlage K 1) des Dokumentenbandes aus dem Jahre 2003. Die Besprechung endet mit dem Satz: „W.‘ unzulängliche Dokumentation sollte aus dem Verkehr gezogen werden“.

Mit Anwaltsschreiben vom 19.12.2003 (K 2) übersandte der Kläger dem Beklagten 1 eine „Verpflichtungserklärung“ mit der Aufforderung, diese postwendend unterzeichnet zurück zu senden. Das Schreiben wurde von der vormaligen Beklagten 2 namens des Beklagten 1 mit Schreiben vom 30.12.2003 (K 3) beantwortet. Dabei wies die …A.Z. äußerungsrechtliche Ansprüche zurück; um die Angelegenheit gütlich beizulegen, verpflichte sich der Beklagte 1 gleichwohl, bei Meidung einer Vertragsstrafe künftig zu äußern oder zu verbreiten: „W.‘ Dokumentation sollte aus dem Verkehr gezogen werden.“ Eine Stellungnahme des Klägers hierzu erfolgte nicht.

Mit Anwaltsschreiben vom 21.07.2005 (K 6) machte der Kläger im Hinblick auf die Erklärung vom 30.12.2003 gegen den Beklagten 1 eine Vertragsstrafe in Höhe von Euro 20.000.geltend, weil die beanstandete Rezension einschließlich des letzten Satzes auf der Internetseite www….net weiterhin aufgerufen werden könne und auf einer weiteren Internetseite teilweise zitiert werde.

Wegen der Einzelheiten des vom Kläger verfolgten Anspruchs, des zugrundeliegenden Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien, sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil ein Unterlassungsvertrag mit Vertragsstrafeversprechen nicht wirksam zustande gekommen sei. Das namens des Beklagten 1 von der Beklagten 2 verfaßte Schreiben vom 30.12.2003 stelle gemäß § 150 Abs. 2 BGB eine Ablehnung des Vertragsangebots des Klägers dar, verbunden mit einem modifizierten Angebot des Beklagten 1. Die Reichweite der im Schreiben vom 30.12.2003 angebotenen Unterlassungserklärung sei gegenüber dem Verlangen des Klägers im Schreiben vom 19.12.2003 massiv gekürzt, und anstelle der geforderten Vertragsstrafe von Euro 25.000.- werde lediglich eine angemessene Vertragsstrafe zugestanden, die für den Kläger wesentlich ungünstiger sei, weil er damit im Prozeß das Kostenrisiko wegen einer zu hoch eingeklagten Vertragsstrafe zu tragen habe. Bei einer so wesentlich eingeschränkten Unterwerfungserklärung könne von einem Verzicht des Abgemahnten auf den Zugang einer Annahmeerklärung nicht ausgegangen werden, weshalb das Zustandekommen eines Unterlassungsvertrages vom Zugang einer Annahmeerklärung des Klägers beim Beklagten 1 abhängig gewesen sei, die nicht (rechtzeitig) erfolgt sei. Dem Schweigen des Klägers auf das Schreiben vom 30.12.2003 komme kein Erklärungswert zu. Ob die Geltendmachung der Vertragsstrafe am 21.07.2005 als Annahme zu werten sei, könne dahinstehen, da eine solche Annahme nach Ablauf von über eineinhalb Jahren verspätet sei.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus erster Instanz.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 20.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 11.08.2005 zu zahlen.

Der Beklagte 1 bittet um Zurückweisung der gegnerischen Berufung.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien und das Sitzungsprotokoll vom 13.03.2009 verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten 1 kein Anspruch auf Vertragsstrafe zu, weil zwischen den Parteien ein entsprechender Vertrag nicht wirksam zustandegekommen ist.

1. Mit dem Schreiben der vormaligen Beklagten 2 vom 30.12.2003 (K 3) ist noch kein Vertrag (zu diesem Erfordernis als Voraussetzung für einen Zahlungsanspruch BGH NJW-RR 06, 1477, 1478 = GRUR 06, 878) über eine Unterlassungsverpflichtung mit Vertragsstrafeversprechen des Beklagten 1 zustande gekommen. Vielmehr handelte es sich, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, um die Ablehnung des Angebots des Klägers vom 19.12.2003 (K 2), gemäß § 150 Abs. 2 BGB verbunden mit einem neuen Angebot des Beklagten (vgl BGH aaO).

Richtig ist allerdings, daß diese Vorschrift eine teilweise Annahme eines Antrages nicht generell ausschließt. Den Parteien bleibt es unbenommen, die Möglichkeit einer Teilannahme eines Angebots vorzusehen (BGH NJW 86, 1983, 1984; so auch Büscher in: Fezer, UWG, 2005, Bd 2 § 8 UWG Rn 139 für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsverträge). Fehlt es wie hier an einer diesbezüglichen Vereinbarung der Parteien, so setzt eine Teilannahme voraus, daß die Auslegung des Antrags ergibt, daß der Antragende entgegen der Regel des § 150 Abs. 2 BGB dem Angebotsempfänger die Möglichkeit der Teilannahme einräumen wollte, und zwar auch in dem vom Verletzer zur Unterwerfung dann ausgewählten Teilausschnitt und Inhalt.

Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. In dem Schreiben vom 30.12.2003 hat die Beklagte 2 einen Anspruch auf die vom Kläger gewünschte umfangreiche Unterlassungserklärung allgemein in Abrede gestellt und sich lediglich hinsichtlich des letzten, eine wertende Schlußfolgerung beinhaltenden Satzes „Die unzulängliche Dokumentation sollte aus dem Verkehr gezogen werden“ zu einer Unterwerfungserklärung bereit gefunden, „um die Angelegenheit gütlich beizulegen“. Selbst diesen letzten Satz hat die Beklagte 2 noch eingeschränkt, indem sie das Wort „unzulänglich“ nicht in die Unterwerfungserklärung aufgenommen hat. Der gesamte übrige Text, der sich gerade inhaltlich mit der Veröffentlichung des Klägers kritisch auseinandersetzte und besonders geeignet war, die wissenschaftliche Qualität der Arbeit und damit die wissenschaftliche Reputation des Klägers in Frage zu stellen, wurde in der Unterwerfungserklärung nicht berücksichtigt. Der Beklagte 1 konnte bei dieser Sachlage nicht damit rechnen, daß der Kläger mit dieser auf einen kleinen Teil der verlangten Unterwerfungserklärung reduzierten Erklärung im Sinne einer Teilvereinbarung einverstanden sein würde. Mit Recht hat das Landgericht deshalb in der Erklärung vom 30.12.2003 ein nach § 150 Abs. 2 BGB modifiziertes neues Angebot des Beklagten 1 zum Vertragsabschluß gesehen. Zu Unrecht beruft sich der Kläger für seine gegenteilige Ansicht in der Berufung erneut auf die Literaturstelle von Piper/Ohly (UWG, 4. Aufl. 2006, § 8 UWG Rn 10). Wie bereits das Landgericht festgestellt hat, geht es dort um die Frage, ob der Verletzer wirksam, d.h. mit der Folge, daß insoweit die Wiederholungsgefahr entfällt (vgl Überschrift zu Rn 10 „Ausräumung der Wiederholungsgefahr“), eine Teilunterwerfung erklären kann. Dabei handelt es sich um die Frage der Wirksamkeit einer einseitigen Erklärung des Schuldners. Demgegenüber geht es vorliegend um die Frage, ob der Gläubiger dem Schuldner die Möglichkeit einräumen wollte, einen Vertragsschluß auch über einen bloßen Teil seines Angebots zustande zu bringen. Dies wird im Falle von mehr als nur redaktionellen Änderungen auch von Piper/Ohly (aaO § 8 unter „8. Vertraglicher Unterlassungsanspruch“ Rn 53) für den Regelfall ausdrücklich verneint und kann auch für die hier streitige Erklärung nicht angenommen werden (vgl. auch BGH NJW-RR 06, 1477, 1478 unter 1.b).

2. In dem Zeitraum bis zur Geltendmachung der Vertragsstrafe mit Schreiben des Klägers vom 21.07.2005 hat der Kläger das Angebot des Beklagten 1 auf Abschluß eines Unterwerfungsvertrages mit Vertragsstrafeversprechen nicht angenommen. Insoweit fehlt es schon an einer Annahmeerklärung überhaupt. Denn selbst bei einer Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden nach § 151 S. 1 BGB bedarf es einer nach außen hervortretenden eindeutigen Betätigung des Annahmewillens (Ellenberger in: Palandt, BGB, 68. Aufl., § 151 Rn 2). Anhaltspunkte für eine solche – vom Landgericht auch nur unterstellte – Annahmeerklärung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Weiter hätte eine Annahme des Angebots des Beklagten 1 vom 30.12.2003 diesem zugehen müssen, da von einem Verzicht des Beklagten 1 im Sinne des § 151 S. 1 BGB vorliegend nicht ausgegangen werden kann, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Annahme eines Verzichts kommt nur in Betracht, wenn – anders als hier – die Unterwerfungserklärung nicht oder zumindest nicht in einem wesentlichen Punkt von demjenigen abweicht, was der Anspruchsteller insoweit verlangt hat (BGH NJW-RR 02, 1613, 1614 = GRUR 02, 824; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 12 Rn 22; Büscher in: Fezer aaO § 8 UWG Rn 129). Allerdings wird in der Literatur zum Wettbewerbsrecht teilweise die Auffassung vertreten, daß grundsätzlich von einem Verzicht des Schuldners auf den Zugang einer Annahmeerklärung des Gläubigers auf das Angebot des Schuldners zum Abschluß eines strafbewehrten Unterlassungsvertrages auszugehen sei, weil der Schuldner daran interessiert sei, daß das Damokles-Schwert einer möglichen Vertragsstrafe über ihm schwebe (Bornkamm in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 26. Aufl. 2008, Rn 1.118; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. 2007, Kap. 8 Rn 3). Andererseits stellen auch diese Autoren nicht in Frage, daß – wie einhellige Auffassung – die Wiederholungsgefahr auch dann entfällt, wenn der Gläubiger ein Angebot des Schuldners mit einer ernsthaften Unterwerfungserklärung ablehnt, ein Anspruch auf Vertragsstrafe also nicht entsteht und der Schuldner dies weiß (Bornkamm aaO Rn 1.116; Teplitzky aaO Rn 35, 36). Ob gleichwohl im Hinblick auf besondere Bedürfnisse des Rechtsschutzes im Wettbewerbsrecht dieser Auffassung für den Bereich des Wettbewerbsrechts zu folgen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Jedenfalls für äußerungsrechtliche Angelegenheiten, auf die Rechtsgrundsätze zum Unterlassungsanspruch gegenüber wettbewerbswidrigem Verhalten nicht ohne weiteres übertragen werden sollten (Steffen in: Löffler, Presserecht, 5. Aufl. 2006, § 6 LPG Rn 266), sieht der Senat kein Bedürfnis, die allgemeinen Wertungen des Gesetzgebers in den Vorschriften der §§ 147 bis 151 BGB zu modifizieren.

3. Auch das Schreiben vom 21.07.2005 (K 6,7), mit dem der Kläger die Verwirkung der Vertragsstrafe geltend machte, stellt keine wirksame Annahme des Angebots des Beklagten 1 vom 30.12.2003 dar. Zwar könnte das Schreiben in seinem Erklärungswert als konkludente Annahme des Angebots des Beklagten 1 vom 30.12.2003 gewertet werden. Eine Annahme war aber nach § 147 Abs. 2 BGB nicht mehr möglich, da der Zeitraum, in welchem der Beklagte 1 den Eingang der Antwort auf sein Angebot erwarten durfte, nach über eineinhalb Jahren längst abgelaufen war. Auch insoweit ist – anders als in der Literatur zum Wettbewerbsrecht vertreten (Bornkamm aaO Rn 1.117) – jedenfalls in äußerungsrechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich an den üblichen Fristen des § 147 Abs. 2 BGB zur Annahme eines Angebots festzuhalten. Dem Verletzten ist in der Regel zuzumuten, sich alsbald zu entscheiden, ob er das Angebot annehmen will (Burkhardt in: Wenzel aaO Rn 27). Auch im vorliegenden Falle sieht der Senat kein schützenswertes Interesse des Gläubigers, das Zustandekommen eines strafbewehrten Unterlassungsvertrages über einen Zeitraum von über eineinhalb Jahren in der Schwebe halten zu können. Davon zu unterscheiden ist die für den Wegfall der Wiederholungsgefahr notwendige Ernsthaftigkeit der (einseitigen) Unterwerfungserklärung des Verletzers, die eine grundsätzlich uneingeschränkte, bedingungslose, unbefristete und unwiderrufliche Unterwerfung erfordert. Diese Voraussetzungen erfüllt vorliegend die Unterwerfungserklärung des Beklagten 1 vom 30.12.2003. Daß das zugleich darin liegende Angebot auf Abschluß eines strafbewehrten Unterlassungsvertrages vom Kläger nicht wirksam angenommen wurde, ändert daran nichts.

Nach allem hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen und war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 543 Abs. 2 ZPO.

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