OLG Köln: Geltendmachung einer Vertragsstrafenforderung durch IDO ist rechtsmissbräuchlich / 2023

veröffentlicht am 22. November 2023

OLG Köln, Urteil vom 21.06.2023, Az. 6 U 147/22
§ 242 BGB, § 314 Abs. 1 BGB, § 339 BGB

Das OLG Köln hat für das vorliegende Verfahren entschieden, dass die Geltendmachung einer Vertragsstrafenforderung durch den IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. rechtsmissbräuchlich war. Eine Täuschungshandlung des IDO durch aktives Tun oder Unterlassen lehnte der Senat zwar ab. Die Geltendmachung einer Vertragsstrafe sei jedoch rechtsmissbräuchlich, weil eine Gesamtabwägung der vom Beklagen vorgetragenen und vom (klagenden) IDO in tatsächlicher Hinsicht nicht bestrittenen Indizien dafür sprechen, dass der IDO vorwiegend zu wettbewerbsfremden Zwecken und daher rechtsmissbräuchlich gem. § 242 BGB gehandelt habe, weil er trotz Kündigung der Unterwerfungsvereinbarung durch den Beklagten weiterhin Zahlung der Vertragsstrafe gefordert habe. Die Kündigung des strafbewehrten Unterlassungsvertrags durch den Beklagten sei gemäß § 314 Abs. 1 BGB möglich gewesen, weil die Aktivlegitimation des Klägers aufgrund einer Gesamtwürdigung mehrerer Indizien weggefallen sei. Dies wird in den Entscheidungsgründen näher ausgeführt. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Köln

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat  des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 09.06.2023 durch … für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 7.10.2022 – 14 O 55/20 abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einer wettbewerbsrechtlich motivierten Unterlassungsvereinbarung in Anspruch.

Der Kläger ist ein in der Form eines eingetragenen Vereins organisierter Interessenverband der Online-Unternehmer, der im Vereinsregister des Amtsgerichts Köln unter der Registernummer N01 eingetragen ist. Er hat nach eigenen Angaben circa 2.750 Mitglieder, von denen aktuell 43 aktive, die übrigen passive Mitglieder sind.

Der Beklagte bietet Waren, u.a. Whisky, über seine Homepage an. Auf eine Abmahnung vom 13.12.2019 (Anl. B1) wegen des behaupteten Verstoßes mehrerer Formulierungen auf der Website gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften unterzeichnete der Beklagte durch einen Rechtsanwalt eine Unterlassungserklärung und versprach, für Verstöße nach Ablauf einer Übergangsfrist bis zum 31.1.2020 eine Vertragsstrafe zu zahlen, deren Höhe vom Kläger zu bestimmen und vom für die Verletzung zuständigen Gericht auf Angemessenheit zu überprüfen sein sollte. Der Beklagte hatte die vom Kläger übersandte vorformulierte Unterwerfungserklärung (Anl. B2) verändert (Anl. K1), der Kläger diese veränderte Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 6.1.2020 angenommen (Anl. K2).

Am 18.2.2020 erlangte der Kläger Kenntnis davon, dass zwei Formulierungen auf der Website verwendet wurden, die nach Ansicht des Klägers eine Verletzung von Nr. 6 und Nr. 7 der Unterwerfungserklärung darstellen. Der Kläger verlangte mit Schreiben vom 18.2.2020 Zahlung der streitgegenständlichen Vertragsstrafesumme.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.6.2020 (Anl. B6) hat der Beklagte die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 3.1.2020 angefochten, hilfsweise die Vereinbarung gekündigt und die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung erhoben. Mit Schriftsatz vom 3.12.2020 hat der Beklagte die Kündigung im Rechtsstreit vor dem Landgericht wiederholt.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe im Abmahnschreiben wahrheitsgemäß angegeben, dass ihm 63 Händler im Bereich Lebensmittel und 26 Händler im Bereich Genussmittel angehörten, der Beklagte habe mindestens 18 Angebote auf seiner Homepage veröffentlicht (Anl. K5).

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.3.2020 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Klagebefugnis und die Aktivlegitimation bestritten. Der Kläger habe zu Unrecht behauptet, dass ihm eine erhebliche Zahl an konkurrierenden Unternehmen angehören und er sachlich und finanziell in der Lage sei, seine satzungsmäßigen Ziele wirksam wahrzunehmen. Der Kläger sei erhebliche Kostenrisiken durch die hohe Zahl an Gerichtsverfahren eingegangen. Der Beklagte habe erst nach seiner Unterwerfung, nämlich am 25.6.2020 – im Zusammenhang mit der Abstimmung der Rechtsverteidigung – Kenntnis von diesen Umständen erhalten. Er hat gemeint, dass der Anspruchsdurchsetzung die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehe und er zur Kündigung der Unterlassungsvereinbarung berechtigt sei, weil der Kläger diese aufgrund rechtsmissbräuchlichen Verhaltens erwirkt habe. Der Rechtsmissbrauch ergebe sich aus dem gezielten Verschonen der eigenen Mitglieder und der nur in Form einer passiven Mitgliedschaft erfolgenden Aufnahme von Unternehmen. Die Abmahntätigkeit diene vorrangig der Gewinnerzielung. Der Kläger zahle unangemessen hohe Vergütungen an bestimmte Personen wie der Schwester der Vorsitzenden des Klägers, Unterlassungserklärungen seien zu weit gefasst. Die konkret geforderte Vertragsstrafe sei überhöht, weil der Beklagte nur ein kleines Unternehmen mit geringer Marktbedeutung betreibe. Die diesbezüglichen tatsächlichen Angaben – insoweit wird auf die Schriftsätze des Beklagten Bezug genommen – wurden vom Kläger nicht bestritten.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Für eine wirksame Anfechtung fehle es an dem Nachweis einer arglistigen Täuschung des Klägers zum Zeitpunkt der Unterwerfungserklärung. Der Beklagte habe weder ausreichend dargelegt, dass der Kläger nicht über genügend Mitglieder noch, dass er über eine unzureichende sachliche und finanzielle Ausstattung verfüge. Die Vorlage von Gerichtsentscheidungen, in denen dem Kläger die Aktivlegitimation zuerkannt wurde, stelle keinen Vortrag über konkrete Tatsachen dar. Dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten sei zum Zeitpunkt der Abgabe der Unterwerfungserklärung aus eigenen Prozessen bekannt gewesen, dass die Aktivlegitimation des Klägers in anderen Verfahren bestritten wurde, so dass die Abgabe der Erklärung nicht durch eine Täuschung beeinflusst worden sein konnte. Eine Kündigung der Unterwerfungserklärung komme nicht in Betracht, weil nicht feststellbar sei, dass der Kläger diese Erklärung rechtsmissbräuchlich herbeigeführt habe. Der Umstand, dass Mitglieder mehrheitlich passive Mitgliedschaften haben, genüge dafür nicht. An einem Nachweis, dass eigene Mitglieder von Abmahnungen verschont blieben, fehle es. Der Vorwurf zu weitgehender Abmahnungen lasse sich im vorliegenden Fall ebenso wenig erhärten wie der Vorwurf unangemessen hoher Vergütungen. Eine Kündigung der Vereinbarung sei nicht gerechtfertigt, weil der Beklagte diese nach anwaltlicher Beratung, also nicht aufgrund unangemessenen Vorgehens unterzeichnet habe. Auch die Höhe der Vertragsstrafe sei angesichts der Umsätze des Beklagten angemessen.

Gegen diese Entscheidung, auf die gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung des Beklagten. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er bestreitet die Aktivlegitimation und die Klagebefugnis des Klägers zum Zeitpunkt der Abmahnung und Unterwerfung und verweist auf mehrere Indizien, aus denen folge, dass der Kläger vorwiegend zu Zwecken der Gewinnerzielung und damit rechtsmissbräuchlich vorgehe. Dafür spreche überdies, dass der Kläger passive Mitgliedschaften gerade im Bereich von Online-Unternehmen gezielt herbeiführe und dadurch gezielt eine Mitgliederstruktur erzeuge, die auf passive Mitgliedschaften ohne Einfluss auf die Gestaltung des Vereins setze. Der Beklagte behauptet weiterhin, dass die eigenen Mitglieder in Bezug auf Abmahnungen weitgehend verschont würden und bezieht sich hierzu auf Angaben aus Verfahren vor dem LG Stuttgart (37 O 41/20), dem OLG Frankfurt und dem LG Köln (81 O 102/20 mit OLG Köln 6 U 67/21), die er in seinen Vortrag einbezieht. Zum weiteren Beleg dafür, dass das Verhalten des Klägers vorwiegend der Gewinnerzielung diene, bezieht sich der Beklagte auf die im Verfahren 81 O 35/21 vor dem LG Köln vom Kläger übermittelten Angaben zu den Einkünften des Klägers, den gezahlten Vergütungen sowie zur Anzahl getätigter Abmahnungen gegenüber den abgegebenen Unterlassungserklärungen und den gerichtlich verfolgten Abmahnungen. Danach würden unangemessen hohe Vergütungen an Geschäftsführer und dem Verband nahestehende Dienstleister ausgeschüttet. So seien 44% der Einnahmen des Klägers im Jahr 2020 in Höhe von 3.225.880,32 € unmittelbar oder mittelbar über die V. an sechs Personen geflossen, die entweder selbst Vorstände des Klägers seien oder den Vorständen jedenfalls nahe stünden. Zudem seien in den Jahren 2017 bis 2020 mehr als 5.000 Abmahnverfahren begonnen, aber nicht weitergeführt worden. Diese Angaben wurden vom Kläger nicht bestritten. Der Beklagte meint überdies, dass Abmahnschreiben zu weit formuliert würden.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des LG Bonn vom 7.10.2022, Az. 14 O 55/20 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Er legt Listen zu Mitgliedschaften im Bereich Lebens- und Genussmittel vor (Anl. BB1 und BB2). Deren Zahl habe sich bis heute deutlich erhöht. Der Kläger dürfe gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorgehen, ohne dass darin eine systematische Verschonung der eigenen Mitglieder liege, zumal es dem jeweils Abgemahnten möglich sei, seinerseits die Mitglieder des Abmahnenden zu verwarnen. Die an Geschäftsführung und Vorstand gezahlten Gehälter seien angemessen, weil der erbrachten Tätigkeit und der erforderlichen Qualifikation entsprechend. Die Anzahl der geführten Prozesse auf eine vorangehende Abmahntätigkeit sei nicht unangemessen, sondern hänge mit praktischen Schwierigkeiten der Prozessführung, tatsächlichen Veränderungen auf Seite der Abgemahnten und den Erfolgsaussichten von Klagen, etwa im Umfeld noch anhängiger Verfahren bei BGH und EuGH zusammen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Der Vertragsstrafeanspruch ist zwar inhaltlich nicht zweifelhaft, die Erklärung, die zu der Unterwerfung führte, wurde auch nicht wirksam angefochten. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe ist aber aufgrund einer Gesamtbetrachtung mehrerer Indizien rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig.

1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2. Grundsätzlich besteht der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach § 339 BGB. Die Parteien haben eine strafbewehrte Unterlassungsvereinbarung abgeschlossen. Über die Frage, ob der abgemahnte Verstoß inhaltlich besteht, wird weder erst- noch zweitinstanzlich gestritten.

3. a) Die Erklärung, die zu der Vereinbarung vom 3.1.2020/6.1.2020 führte, wurde durch das Schreiben des Beklagten vom 29.6.2020 nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Eine Täuschung erfordert, dass der Täuschende durch sein Verhalten beim Anfechtenden vorsätzlich einen Irrtum erwecken oder aufrechterhalten wollte. Hierbei genügt ein bedingter Vorsatz, wobei auch das Verschweigen von Informationen als Täuschung angesehen werden kann. Doch muss der Täuschende davon ausgehen oder jedenfalls billigend in Kauf nehmen, dass der Vertragsgegner den Fehler nicht kennt und den Vertrag bei entsprechender Kenntnis nicht geschlossen hätte. Allein eine fahrlässige Erregung eines Irrtums reicht nicht aus (vgl. Armbrüster in MünchKomm/BGB, 9. Aufl., § 123 Rn. 14 ff., mwN).

b) Für eine aktive Täuschungshandlung fehlt es vorliegend an der Behauptung fehlerhafter Angaben über die Mitgliederstruktur, insbesondere zum Vorhandensein einer ausreichenden Zahl an Mitgliedern, die im Bereich Lebens- und Genussmittel mit dem Beklagten konkurrieren. Tatsächlich hat der Beklagte im Berufungsverfahren durch Mitgliederlisten untermauert, dass unter seinen Mitgliedern 63 Lebensmittel- und 26 Genussmittelhändler sind. Im engeren Bereich des Wein-, Getränke- und Spirituosenhandels, in dem der Kläger tätig ist, sind in den Listen mindestens fünf einschlägig firmierende Händler (Anl. BB2 Nr. 7, 10, 11, 15, 26) aufgeführt. Für die Frage, ob eine erhebliche Anzahl an Konkurrenten zu den Mitgliedern zählt, wird weder auf eine Mindestzahl noch auf eine bestimmte Mindestmarktbedeutung abgestellt (BGH GRUR 2007, 610 Tz. 18 – Sammelmitgliedschaft V; Senat GRUR-RR 2018, 192). Auch eine geringe Anzahl von Konkurrenten kann daher genügen, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass allein aus der Mitgliederzahl auf eine sachfremde Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen geschlossen werden kann (vgl. BGH GRUR 2009, 692 Tz. 12 – Sammelmitgliedschaft VI). Zudem ist der Bereich der sachlich verwandten Waren nicht eng, sondern weit zu ziehen (BGH, Urteil vom 26.01.2023 – I ZR 111/22, GRUR 2023, 585 Tz. 23 – Mitgliederstruktur), so dass vorliegend auch weitere im Bereich Lebens- und Genussmittel tätige Mitglieder beachtlich sind.

c) Auch an einer Täuschung durch Unterlassen fehlt es. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass der Kläger vorsätzlich oder bedingt vorsätzlich eine Pflicht zur Aufklärung darüber verletzt hat, dass seine Befugnis zur Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen fehlte. Zwar lagen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Indizien vor, die für einen Rechtsmissbrauch durch den Kläger sprachen. Auch wenn der Kläger die eigenen internen Verhältnisse selbst geschaffen hat und diese kennt, kann jedoch nicht festgestellt werden, dass er selbst ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen jedenfalls im Sinne eines bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen hat. Der Beklagte ist nach seiner Einschätzung zur Einhaltung wettbewerbsrechtlicher Normen tätig geworden. Mehrere Gerichte hatten die Aktivlegitimation des Beklagten regelmäßig bestätigt. Der Bundesgerichtshof hat bis heute nicht festgestellt, dass der Beklagte strukturell rechtsmissbräuchlich agiert, obwohl sich in jüngster Zeit kritische Stimmen seitens der Oberlandesgerichte mehren.

4. Die Geltendmachung einer Vertragsstrafe war jedoch rechtsmissbräuchlich, weil eine Gesamtabwägung der vom Beklagen vorgetragenen und vom Kläger in tatsächlicher Hinsicht nicht bestrittenen Indizien dafür sprechen, dass der Kläger vorwiegend zu wettbewerbsfremden Zwecken und daher rechtsmissbräuchlich gem. § 242 BGB gehandelt hat, weil er trotz Kündigung der Unterwerfungsvereinbarung durch den Beklagten weiterhin Zahlung der Vertragsstrafe gefordert hat.

a) Die Kündigung des strafbewehrten Unterlassungsvertrags durch den Beklagten mit Erklärung vom 29.6.2020 war gemäß § 314 Abs. 1 BGB möglich, weil die Aktivlegitimation des Klägers aufgrund einer Gesamtwürdigung mehrerer Indizien weggefallen ist. Das Kündigungsrecht ist in einem solchen Fall innerhalb einer angemessenen Frist auszuüben, wobei die Frist zu laufen beginnt, sobald der Schuldner Kenntnis von den Umständen erlangt, welche die Kündigung rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.199 – I ZR 265/95, GRUR 1997, 382 – Altunterwerfung I; Urteil vom 06.07.2000 – I ZR 243/97, GRUR 2001, 85 – Altunterwerfung IV; Feddersen in Peifer, GK-UWG, 3. Aufl., § 13 Rn. 166; Brüning in Harte/Henning, UWG, 5. Aufl. 2021, § 13 Rn. 159). Die (hilfsweise) Kündigung der Erklärung vom Januar 2020 war durch den Beklagten auch mit Schreiben vom 29.9.2020 noch zeitgerecht. Ein äußerer Anlass für die Kündigung entstand mit der Geltendmachung des Vertragsstrafeanspruchs durch Schreiben vom 18.2.2020. Da die Kündigung auf mehrere Indizien und deren Gesamtwirken gestützt wurde, war die Inanspruchnahme einer Prüfungsfrist von der hier vorliegenden Dauer angemessen.

b) Obwohl die Kündigung grundsätzlich ex nunc wirkt, kann sich die Geltendmachung einer vor Erklärung der Kündigung verwirkten Vertragsstrafe als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB darstellen, wenn der Gläubiger offensichtlich nicht mehr klagebefugt war (vgl. BGH, GRUR 1997, 382 – Altunterwerfung I; GRUR 2001, 85 – Altunterwerfung IV; Feddersen in Peifer, aaO, § 13 Rn. 166; Brüning in Harte/Henning UWG, aaO, § 13 Rn. 160), denn es wäre unbillig, den Beklagten weiterhin an einer Unterlassungsverpflichtung festzuhalten, die aufgrund eines Verlustes der Klagebefugnis in der Sache nicht mehr besteht. In einem solchen Fall ist es daher dem Gläubiger verwehrt, eine Vertragsstrafe durchzusetzen, wenn der durch die Unterwerfungserklärung gesicherte Anspruch eindeutig nicht mehr besteht (vgl. BGH, GRUR 2001, 85 – Altunterwerfung IV; Brüning in Harte/Henning, UWG, aaO, § 13 Rn. 160). Dabei müssen Umstände vorliegen, die im Falle eines gerichtlichen Verbots die Vollstreckungsgegenklage im Sinne des § 767 BGB begründen würden (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2014 – I ZR 210/12, GRUR 2014, 797 – fishtailparka; Feddersen in Peifer aaO, § 13 UWG Rn. 166). Für die Beurteilung des Rechtsmissbrauchs können alle Tatsachen berücksichtigt werden, die im Laufe des Verfahrens bekannt werden.

c) Die vorgenannten Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

aa) Die Frage, ob die Geltendmachung einer Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich ist, richtet sich nicht nach § 8c Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG n.F. (inhaltlich entsprechend § 8 Abs. 4 UWG a.F.), sondern nach § 242 BGB. Dabei können Umstände, die im Rahmen des § 8 Abs. 4 UWG a.F. / § 8c Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG n.F. einen Rechtsmissbrauch begründen, berücksichtigt werden, soweit diese Umstände für die Abgabe der Unterwerfungserklärung ursächlich waren oder jedenfalls in Zusammenhang mit der Vereinbarung der Vertragsstrafe stehen (BGH, Urteil vom 31.05.2012, I ZR 45/11, GRUR 2012, 949, Tz. 20 f.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 8c Rn. 9). Eine missbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel anzunehmen, wenn die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen. Von einem Rechtsmissbrauch in diesem Sinne ist auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt. Diese müssen nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH GRUR 2023, 585 Tz. 40 – Mitgliederstruktur mwN). Eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel bei einem unangemessenen Einnahmeerzielungsinteresse, einer unverhältnismäßigen Abmahntätigkeit und/oder sonstigen Umständen wie dem selektiven Vorgehen eines Verbandes grundsätzlich nur gegen Außenstehende und nicht gegen die eigenen Mitglieder anzunehmen (s. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, aaO, § 8c Rn. 13, 14 ff., 18, 38).

bb) Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist nicht nur im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs aus § 8 Abs. 1 UWG, sondern auch bei Geltendmachung einer Vertragsstrafe nach § 242 BGB von Amts wegen zu beachten und die Frage des Rechtsmissbrauchs im Wege des Freibeweises zur würdigen (s. Fritzsche in Gloy/Loschelder/Danckwerts, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 5. Aufl. 2019, § 79 UWG Rn. 259; Köhler/Bornkamm/Feddersen, aaO, § 8c Rn. 9, 42; OLG Frankfurt, Urteil vom 09.06.2022, 6 U 134/21, juris, Tz. 15; vgl. auch BGH, Urteil vom 26.01.2023, I ZR 111/22, GRUR 2023, 585 – Mitgliederstruktur, Tz. 51; Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2023, § 242 Rn. 21). Der Verhandlungsgrundsatz ist damit nicht aufgehoben (s. BGH, Urteil vom 26.01.2023, I ZR 111/22 – Mitgliederstruktur, Tz. 46). Der Umstand, dass eine Tatsache gerichtsbekannt ist, ersetzt regelmäßig nicht den entsprechenden Vortrag einer Partei, sondern lediglich die Beweisbedürftigkeit. Es ist grundsätzlich Sache der beklagten Partei, Tatsachen für das Vorliegen eines Missbrauchs darzulegen und dafür Beweis anzubieten. Dies gilt auch für das Vorgehen eines Verbandes, zumal für ihn die Vermutung spricht, dass er seinen satzungsmäßigen Zwecken nachgeht. Ist allerdings durch entsprechenden Tatsachenvortrag die für die Prozessführungsbefugnis bzw. Anspruchsberechtigung sprechende Vermutung erschüttert, so trifft den Verband eine zumindest sekundäre Darlegungslast. Er muss dann durch substantiierten Tatsachenvortrag den Einwand des Rechtsmissbrauchs entkräften (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, aaO, § 8c Rn. 9, 42; BGH, Urteil vom 26.01.2023, I ZR 111/22 – Mitgliederstruktur, Tz. 51). Für die missbräuchliche Geltendmachung genügt es, wenn der Beklagte in ausreichendem Maße Indizien vorträgt und der Kläger diese Umstände nicht widerlegt. Mehr ist schon deshalb nicht zu verlangen, weil sich die Motivlage des Gläubigers im Allgemeinen nur aus den äußeren Umständen ergeben kann. Das bloße Bestreiten mit Nichtwissen ist zwar nicht ausreichend. Es genügt auch nicht, wenn der Inanspruchgenommene zur Begründung des Rechtsmissbrauchs lediglich auf Entscheidungen in anderen Verfahren verweist (Seichter in Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 8c Rn. 17 ff.). Der Senat konnte vorliegend aber die vom Beklagten (teilweise durch Einkopieren von Urteilen und das ausdrückliche Zueigenmachen des dortigen Tatsachenvortrags) vorgetragenen und vom Kläger nicht bestrittenen Tatsachen verwerten.

cc) Der Beklagte hat mehrere Indizien vorgetragen, die für eine missbräuchliche Geltendmachung des Vertragsstrafeanspruchs sprechen, ohne dass der Kläger im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast diese Umstände entkräftet hat. Zum Teil beruft sich der Beklagte in diesem Zusammenhang auch auf eigene Auskünfte des Klägers in anderen Verfahren, die insoweit im Tatsächlichen unstreitig sind.

(1) Der Umstand, dass der Kläger eine Vielzahl passiver und nur wenige aktive Mitglieder hat, spricht zwar für sich genommen noch nicht dafür, dass bereits die Mitgliederstruktur Indiz für missbräuchliches Vorgehen darstellt (BGH GRUR 2023, 585 Tz.. 32-34). Das ändert sich aber, wenn bereits bei der Mitgliederakquise ein Verfahren praktiziert wird, dass dafür sorgt, dass die aktive Mitgliedschaft gar nicht erst angeboten, über ihre Voraussetzungen nicht informiert, sondern allein eine passive Mitgliedschaft angeboten wird. Dass dies der Fall ist, hat der Beklagte durch die vom Kläger nicht bestrittene Beschreibung der Aufnahme von Mitglieder im Online-Verfahren erläutert (Berufungsbegründung, S. 7 ff.). In dem angebotenen Online-Registrierungsformular wird lediglich eine Mitgliedschaft für einen Beitrag von 96 Euro angeboten, deren Nutzungsbedingungen ebenso wie die Satzung akzeptiert werden müssen. Zu den Nutzungsbedingungen gehört eine Verlinkung, die klarstellt, dass ein „Angebot zur Aufnahme als passives V.-Mitglied“ abgegeben wird. Eine alternative Mitgliedschaft wird zwar in der Satzung erwähnt, aber über das Aufnahmeformular nicht angeboten. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass über eine aktive Mitgliedschaft überhaupt informiert wird oder dass für sie in irgendeiner Weise geworben wird. Die Steuerung der Mitgliedschaft ist vielmehr strukturell auf eine Mitwirkung verengt, die im Ausgangspunkt auf die Zahlung von Beiträgen reduziert ist. Damit werden Strukturen geschaffen, die darauf ausgerichtet sind, aktive Mitgliedschaften zu begrenzen oder gar zu verhindern, gleichzeitig durch eine breite passive Mitgliederschaft eine weite Klagebefugnis zu schaffen, die den Verband dadurch erst in die Lage versetzt, in einem sehr weiten Umfang Abmahntätigkeiten zu ermöglichen, die ihrerseits die Voraussetzung für das Abschließen von Vertragsstrafevereinbarungen darstellt (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 26.01.2023, I ZR 111/22, GRUR 2023, 585 Tz. 32 – Mitgliederstruktur). Ob diese Struktur darauf ausgerichtet ist, es „allein“ zu bezwecken (BGH aaO.), dem Verband eine Klagebefugnis zu verschaffen, kann dabei dahingestellt bleiben, denn hierfür sprechen weitere Indizien.

(2) Als Indiz für eine vorwiegend der Gebührenerzielung dienende Tätigkeit hat der Beklagte Tatsachenvortrag aus dem unter dem Aktenzeichen 81 O 102/20 geführten Verfahren vor dem LG Köln eingebracht und sich zu eigen gemacht, wonach seinen Vorstandsmitgliedern, einem Teil seiner Mitarbeiter und auch der im Mehrheitsbesitz des Klägers stehenden V. sowie deren Geschäftsführern und Mitarbeitern, hohe Vergütungen und andere Zuwendungen insbesondere aus den Einnahmen aus Abmahnkosten und Vertragsstrafen zufließen. Im Jahr 2020 seien 44% der Einnahmen von mehr als 3,2 Mio. € an nur sechs Personen ausgeschüttet worden, die überdies zueinander in einer engen persönlichen Verbindung stehen. Der Beklagte hat hierzu zwar ausgeführt, dass die Höhe der Zahlungen durch entsprechende Leistungen gerechtfertigt sei, die Zahlungen an die Dienstleistungstochter spiegelten Beratungs- und Serviceleistungen gegenüber den Mitgliedern. Allerdings ist die Ausschüttungspolitik gerade dann bedenklich, wenn die Entscheidung hierüber durch die Mitgliederstruktur gefördert wird. Daraus resultiert die besondere Gefahr, dass die Einnahmen durch hohe Ausschüttungen letztlich überwiegend dem Interesse weniger Beteiligter und gerade nicht der Finanzierung der im öffentlichen Interesse gewährten Möglichkeit zur Abmahn- und Klagetätigkeit zufließen. Gerade dadurch entfernt sich der Verband von seiner selbst auferlegten Zielsetzung.

(3) Als ein drittes Indiz führt der Beklagte an, dass der Kläger gezielt eigene Mitglieder bei seinem auf die Durchsetzung lauterer Wettbewerbsgrundsätze bezogenen Vorgehen verschont. Das gezielte Verschonen eigener Mitglieder ist geeignet, einen Missbrauch zu begründen, wenn Anhaltspunkte für ein planmäßiges Verhalten vorliegen und damit der Verein unzulässigerweise nur im Mitglieder-, nicht aber auch im öffentlichen Interesse tätig wird (BGH GRUR 2023, 585 Tz. 50). Im hiesigen Verfahren führt der Beklagte Einlassungen ein durch die Verfahren LG Stuttgart 37 O 41/20 KfH, Anl. B41 (Abmahnungen von Grundpreisverstößen, die auch von Mitgliedsunternehmen des Klägers nachgewiesen wurden), LG Darmstadt 15 O 14/20 (Wettbewerbsverstoß bei Mitgliedern der Kosmetikbranche), die auch im Berufungsverfahren vor dem OLG Frankfurt noch vorgetragen wurden (An. B42) und LG Köln 81 O 102/20 (Grundpreisverstöße von Baustoffhändlern, Anl. B33; Senat 6 U 67/21, Anl. B 43). Der Kläger hat demgegenüber nicht konkret dargelegt, warum diese Verhaltensweisen geduldet und nicht weiterverfolgt wurden. Zwar ist ein selektives Vorgehen nicht für sich genommen missbräuchlich, weil das Verschonen eigener Mitglieder kompensiert werden kann durch Informationen und weichere Formen der Disziplinierung. Im Zusammenhang mit Maßnahmen der Mitgliedersteuerung und einer Mittelverwendung, die stärker auf Ausschüttung als Mitteleinsatz zur effektiven Bekämpfung von Missbräuchen auch in den eigenen Reihen gerichtet ist, ergibt sich daraus allerdings der Eindruck einer Strategie, die darauf gerichtet ist, Mitgliederinteressen vor Kollektivinteressen zu stellen, obgleich letztere durchzusetzen das Satzungsziel sein soll.

(4) Als viertes Indiz nennt der Beklagte zu weit gefasste Unterlassungserklärungen. Grundsätzlich sind zu weit formulierte Erklärung ein Indiz dafür, dass nicht nur konkrete Verstöße angegriffen, sondern eine weitergehende Vertragshaftung angestrebt wird. Das begründet ein Indiz für einen Missbrauch. Hierzu wurden Einlassungen vorgelegt und einbezogen, die zu weit gefasste Unterlassungserklärungen in anderen Verfahren betrafen, namentlich OLG Frankfurt, 15 U 166/18 (Anl. B 22) und LG Essen, 45 O 23/21 (Anl. B 44). Im vorliegenden Fall hat die Abmahnung Verstöße im Fernabsatz gerügt und in die Unterwerfungserklärung aufgenommen (Bl. 252), obgleich es nur um einen nachgewiesenen Verstoß beim Internethandel ging, der lediglich einen Ausschnitt des Fernabsatzes (neben Post und Telekommunikation) darstellt. Anders als der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemeint hat, lassen sich Formen des Distanzhandels sehr wohl vom Internethandel abgrenzen, so dass für die weitere Fassung des Unterlassungsanspruchs auch zur Erfassung kerngleicher Verstöße kein Anlass bestand.

(5) Als fünftes Indiz hat der Beklagte die Nichtverfolgung von abgemahnten Verstößen genannt und unwidersprochen vorgetragen, der Kläger habe in zahlreichen Fällen Abmahnungen ausgesprochen und diese nicht weiterverfolgt, wenn die dortigen Schuldner sich nicht unterworfen haben. Hierbei handelt es sich um die im Folgenden dargestellte Anzahl an Fällen:

2017:

Anzahl der Abmahnungen: 5.945

Anzahl der Unterlassungserklärungen: 4.966

Anzahl der gerichtlichen Verfahren: 421

Anzahl der nicht gerichtlich verfolgten Fälle: 558

2018:

Anzahl der Abmahnungen: 4.795

Anzahl der Unterlassungserklärungen: 2.919

Anzahl der gerichtlichen Verfahren: 256

Anzahl der nicht gerichtlich verfolgten Fälle: 1.620

2019:

Anzahl der Abmahnungen: 4.066

Anzahl der Unterlassungserklärungen: 1.353

Anzahl der gerichtlichen Verfahren: 414

Anzahl der nicht gerichtlich verfolgten Fälle: 1.565

2020:

Anzahl der Abmahnungen: 3.520

Anzahl der Unterlassungserklärungen: 1.325

Anzahl der gerichtlichen Verfahren: 528

Anzahl der nicht gerichtlich verfolgten Fälle: 1.657

Insgesamt hat der Kläger danach weitaus mehr Verfahren nicht verfolgt als gerichtlich geltend gemacht, obwohl keine anderweitige Erledigung etwa durch Abgabe einer Unterlassungserklärung erfolgt ist. Dies spricht dafür, dass der Kläger es anstrebt, zeitnah möglichst viele Unterlassungsverpflichtungserklärungen zu erhalten. Im Jahr 2020 wurden nur ¼ der abgemahnten und nicht unstreitig erledigten Verstöße gerichtlich verfolgt. Der Kläger verweist darauf, dass die Nichtverfolgung prozesstaktische Gründe gehabt hätte, zum Teil hätten sich Sachverhalte erledigt, zum Teil seien höchstrichterliche Entscheidungen abgewartet worden. Doch bleibt auch bei diesen Umständen eine außergewöhnlich hohe Quote nicht gerichtlich verfolgter Verstöße, die den Eindruck erhärten, dass der Kläger über Abmahnungen versucht, Vertragsbindungen einzugehen, die dann im Falle nochmaliger Verstöße verlässliche Einkünfte generieren. Auch vorliegend hat der Kläger allein die Vertragsstrafe geltend gemacht, ohne eine Unterlassung zu fordern (Anl. K4, Bl. 24).

dd) Die vorgetragenen Indizien mögen jedes für sich genommen noch nicht geeignet sein, missbräuchliches Verhalten zu demonstrieren, in der Gesamtabwägung führten sie jedoch dazu, dass ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen vorliegt, so dass die Geltendmachung der Vertragsstrafe im vorliegenden Fall durch § 242 BGB gehindert ist. Für die Beurteilung eines Missbrauchs kommt es nämlich auf die Berücksichtigung der gesamten Umstände an. Die vom Beklagten vorgetragenen Indizien fügen sich zu einer Gesamteinschätzung, die ein missbräuchliches Vorgehen erkennbar machen. Sie demonstrieren eine strategische Ausrichtung des klägerischen Vereins dahingehend, Entscheidungsstrukturen durch gezielte Akquise neuer Mitglieder auf wenige Personen zu konzentrieren, um dadurch eine breite Abmahnbefugnis zu erwerben, die ihrerseits Basis für weite Unterlassungserklärungen erzeugt, auf deren Basis Verstöße Dritter einfach bepreist und zur Einnahmenerzielung funktionalisiert werden können. Die dabei akquirierten Einnahmen werden zu hohen Anteilen an wenige Personen ausgeschüttet, kommen also weniger der Durchsetzung kollektiver Interessen als der Deckung privatem Nutzens zugute. Durch eine gezielte quantitativ beträchtliche Nichtverfolgungstaktik gegenüber eigenen Mitglieder werden Anreize geschaffen, der Organisation beizutreten und dadurch auch der effektiven Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen, welche der Verband in seiner Satzung verspricht, zu entgehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil vorliegend keine abstrakten Rechtsfragen zu entscheiden, sondern eine tatsachenbezogene Abwägung im Einzelfall vorzunehmen war. Die Wertung des Senats nimmt eine auf den vorgetragenen Sachverhalt bezogene Gesamtabwägung vor, die sich nicht in einen Widerspruch zu der Entscheidung des BGH im Fall „Mitgliederstruktur“ begibt. Der BGH hat in jenem Fall nur über die Frage entschieden, ob einige der auch hier streitgegenständlichen Indizien für sich genommen die Vermutung rechtsmissbräuchlichen Verhaltens in sich tragen. Der hier zu entscheidende Fall hatte sich demgegenüber zu der Frage zu verhalten, ob eine Gesamtabwägung mehrerer, für sich genommen nicht genügender Indizien in der Gesamtschau für ein missbräuchliches Vorgehen sprechen. Hinzu kommt, dass der BGH über einen anders gelagerten Tatsachenfall als im hiesigen Verfahren zu entscheiden hatte.

Der Streitwert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

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